Mit einer fatalen Entscheidung vom 21.11.2022 hat das Landgericht Hildesheim (Az. 6 S 39/22) ein Urteil und einen Beschluss über den Erlass einer einstweiligen Verfügung des Amtsgerichts Lehrte (Az. 9 C 120/22) aufgehoben. Das Amtsgericht Lehrte hatte zuvor eine therapeutische Wohneinrichtung durch einstweilige Verfügung verpflichtet, die Betreute wieder in den dortigen geschlossenen Wohnbereich aufzunehmen. Zwischen der durch mich vertretenen Betreuten und der Wohneinrichtung war insbesondere ein Wohn- und Betreuungsvertrag geschlossen worden, der die Überlassung eines im Vertrag näher bezeichneten Doppelzimmers im geschlossenen Wohnbereich zu Wohnzwecken vorsah. Die behandelnden Ärzte in der therapeutischen Wohneinrichtung hatten sich nunmehr auf den Standpunkt gestellt, dass eine weitere freiheitsentziehende Unterbringung nicht mehr erforderlich sei, woraufhin diese von mir nach § 1906 Abs. 3 Satz 1 BGB beendet worden war. Keine 24 Stunden nach der Entlassung der Betreuten stellte sich die ärztliche Einschätzung sodann als falsch dar, so dass die Betreute wieder in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses untergebracht werden musste. Durch das Betreuungsgericht wurde ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt, das die Einschätzung der behandelnden Ärzte in der therapeutischen Wohneinrichtung scharf kritisierte. Die Wohneinrichtung erklärte nun aber, dass sie die — durchaus herausfordernde — Betreute nicht mehr aufnehmen wolle, so dass es zu einem Streit über die Frage kam, ob die zunächst erklärte Kündigung mangels betreuungsgerichtlicher Genehmigung nach § 1907 Abs. 1 BGB wirksam sei. Zur Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum, den der Betreute gemietet hat, bedarf der Betreuer gem. § 1907 Abs. 1 BGB insbesondere der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Die Vorschrift dient damit in erster Linie dem Schutz des Lebensmittelpunktes des Betreuten. Während die Zivilabteilung des Amtsgerichts Lehrte eine Anwendbarkeit des § 1907 BGB noch bejaht hatte, führte das Landgericht Hildesheim aus, dass die Vorschrift des § 1906 Abs. 3 Satz 1 BGB, nach der eine sofortige Entlassung des Betreuten bei Wegfall der Unterbringungsvoraussetzungen zu erfolgen habe, denklogisch beinhalte, dass nach Beendigung der Unterbringung hinsichtlich des geschlossenen Heimvertrages nicht zusätzlich noch die Kündigungsvoraussetzungen des § 1907 Abs. 1 BGB vorliegen müssten. Dies könne nämlich ggf. zu einer nicht mehr zu rechtfertigenden Unterbringung bis zur Erteilung der betreuungsgerichtlichen Genehmigung oder bis zur Kündigungserklärung führen, was mit der Regelung des § 1906 BGB nicht in Einklang zu bringen sei.
Die Entscheidung des Landgerichts Hildesheim ist aus meiner Sicht nicht besonders überzeugend, da die Kammer Mietrecht in Zusammenhang mit einer betreuungsrechtlichen Spezialvorschrift — nämlich der des § 1907 Abs. 1 BGB — mit der unterbringungsrechtlichen Vorschrift des § 1906 BGB zusammenwürfelt. Die Kammer lässt beispielsweise außer Acht, dass es in der Praxis häufig noch zu einem freiwilligen Verbleib eines zunächst freiheitsentziehend nach § 1906 BGB untergebrachten Betreuten in einem geschlossenen Wohnbereich nach Beendingung der freiheitsentziehenden Unterbringung kommt, wenn keine geeignete offene Wohneinrichtung zur Verfügung steht. Der Betreute hat dann mangels Unterbringungsbeschluss die Möglichkeit, die Einrichtung jederzeit auf seinen Wunsch hin zu verlassen. Darüber hinaus gilt beispielsweise ein Mietvertrag über eine Wohnung im 3. Obergeschoss eines Wohnhauses auch nicht automatisch als gekündigt, nur weil sich jemand beide Beine gebrochen hat und nicht mehr in der Lage ist, die Wohnung zu erreichen und damit zu nutzen. Die Entscheidung des Landgerichts Hildesheim bedeutet vor allem, dass Betreute in geschlossenen Wohneinrichtungen nahezu hilflos den dortigen Fachkräften bzw. behandelnden Ärzten ausgeliefert sind. So ist es Einrichtungen sodann möglich, sich bei unliebsam gewordenen Bewohnern jederzeit von diesen ohne Rücksicht auf Kündigungsfristen zu trennen, in dem man sich ärztlicherseits auf den Standpunkt stellt, dass die freiheitsentziehende Unterbringung medizinisch nicht mehr erforderlich sei, womit der Betreuer sie nach § 1906 Abs. 3 Satz 1 BGB unverzüglich zu beenden hätte. Es würde dann immer sofort die Obdachlosigkeit des betroffenen Menschen eintreten.
Die Revision wurde nicht zugelassen.