Zu den unschönen Aufgaben eines Betreuers mit dem Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung gehört es auch, einen psychisch kranken Menschen zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens — wie es der Gesetzgeber in § 1906 Abs. 1 BGB formuliert hat — freiheitsentziehend in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Eine solche geschlossene Unterbringung erfordert wegen der Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs nach § 1906 Abs. 2 BGB die Genehmigung durch das Betreuungsgericht. Das Gericht ordnet in diesem Zusammenhang regelmäßig auch die Zuführung zur Unterbringung an. Nach § 326 Abs. 2 FamFG darf die Behörde Gewalt nur anwenden, wenn das Gericht dies ausdrücklich angeordnet hat. Sie ist sodann nach § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB befugt, erforderlichenfalls die Unterstützung der polizeilichen Vollzugsorgane nachzusuchen.
Wie eine solche Zuführung eskalieren kann, kann man einem Bericht im Hamburger Abendblatt vom 13.08.2018 hier entnehmen. Mein Betreuter galt als gewaltbereit und hatte auch schon einige Zeit in einem forensischen Krankenhaus gelebt. Kein Wunder insoweit, dass die Mitarbeiter des zentralen Zuführungsdienstes, der in Hamburg beim Bezirksamt Altona speziell für die Zuführung von psychisch kranken Menschen eingerichtet wurde, die Polizei um Unterstützung baten. Was dann passierte, hatte aber nichts mehr mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu tun. Im Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) heißt es im § 4 Abs. 1 nach Landesrecht:
Eine Maßnahme muss zur Gefahrenabwehr geeignet sein. Sie ist auch geeignet, wenn sie die Gefahr nur vermindert oder vorübergehend abwehrt. Sie darf gegen dieselbe Person wiederholt werden.
In § 4 Abs. 2 SOG heißt es sodann:
Kommen für die Gefahrenabwehr im Einzelfall mehrere Maßnahmen in Betracht, so ist nach pflichtgemäßem Ermessen diejenige Maßnahme zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten belastet. Bleibt eine Maßnahme wirkungslos, so darf in den Grenzen der Absätze 1 bis 3 eine stärker belastende Maßnahme getroffen werden.
Die praktische Umsetzung dieses Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sah nunmehr so aus, dass die Polizei mit einem aus mehreren schwer bewaffneten Polizisten bestehenden Sondereinsatzkommando die Wohnungstür meines Betreuten aufbrach und diesen — im Wohnzimmer auf dem Sofa schlafend — mit einem nach Angaben des Betroffenen mehrere Minuten andauernden Hundebiss in den Oberschenkel überraschte, um ihn sodann am ganzen Körper fixiert auf einer Rettungstrage in den Rettungswagen transportieren zu lassen. Der Betreute hatte sich — entgegen dem Bericht im Hamburger Abendblatt — zu keinem Zeitpunkt gegen seine Zuführung “gewehrt”, sondern war vielmehr schlafend auf dem Sofa angetroffen worden. Auch ließ sich der Einsatzleiter vor Ort von mir nicht von milderen Mitteln überzeugen und erklärte, dass die Wahl der Maßnahmen in seinem Ermessen liege.
Eine Maßnahme, die aus meiner Sicht und mit Blick auf das Landesrecht unverhältnismäßig und insoweit rechtswidrig war. Von einem Verstoß gegen höherrangiges Recht ganz zu schweigen. Aber darüber wollte die Presse offensichtlich nicht berichten.