Die Sache ist eigent­lich ziem­lich klar: Auch ein ärzt­li­cher Gutachter/Sachverständige hat über die ihm im Rah­men der Tätig­keit als Gut­ach­ter bekannt gewor­de­nen zum per­sön­li­chen Lebens­be­reich gehö­ren­den Geheim­nis­se Still­schwei­gen zu wah­ren (§ 203 StGB). Bei einer Ver­let­zung sol­cher Pri­vat­ge­heim­nis­se droht gem. § 203 Abs. 1 StGB Frei­heits­stra­fe bis zu einem Jahr oder Geld­stra­fe.

Ein beson­ders erstaun­li­cher Fall ist mir nun im Bereich des Betreu­ungs­rechts begeg­net. Der Sach­ver­stän­di­ge, ein Arzt mit Erfah­rung auf dem Gebiet der Psych­ia­trie, wur­de vom Betreu­ungs­ge­richt bestellt. Es ging um die Fra­ge, ob die medi­zi­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen zur Erwei­te­rung der Betreu­ung um die Ver­mö­gens­sor­ge mit Ein­wil­li­gungs­vor­be­halt vor­lie­gen.

Nahe­zu zeit­gleich ermit­tel­te die Staats­an­walt­schaft Ham­burg in einem Ermitt­lungs­ver­fah­ren gegen mei­nen Betreu­ten. Auch in die­sem Ver­fah­ren bestell­te man — wie selbst­ver­ständ­lich — den sel­ben ärzt­li­chen Gut­ach­ter mit dem Auf­trag zu klä­ren, ob der Betrof­fe­ne gem. §§ 20, 21 StGB schuld­fä­hig ist. Eine (ver­min­der­te) Schuld­fä­hig­keit hat häu­fig den nega­ti­ven Bei­geschmack, dass die Staats­an­walt­schaft — auch bei klei­ne­ren Delik­ten — die Not­wen­dig­keit der Unter­brin­gung in einem foren­si­schen Kran­ken­haus prüft.

Der Sach­ver­stän­di­ge rief mich nun an, um mit mir über den aktu­el­len Lebens­sach­ver­halt mei­nes Betreu­ten zu spre­chen. Zu die­sem Zeit­punkt wuss­te ich nichts von dem staats­an­walt­schaft­li­chen Ermitt­lungs­ver­fah­ren und durf­te davon aus­ge­hen, dass der Anruf auf­grund des Auf­tra­ges des Betreu­ungs­ge­richts erfolgt. Inso­weit berich­te­te ich dem Sach­ver­stän­di­gen auch von einer erneu­ten Straf­tat, von der mein Betreu­ter sei­ner Fach­kraft der ambu­lan­ten Sozi­al­psych­ia­trie berich­tet haben soll. Erst am Ende des Tele­fon­ge­sprächs erwähn­te der Sach­ver­stän­di­ge nun­mehr, eigent­lich wegen eines Auf­tra­ges der Staats­an­walt­schaft ange­ru­fen zu haben, so dass ich nach Rück­spra­che mit dem Betreu­ungs­ge­richt ein Schrei­ben an den Sach­ver­stän­di­gen ver­fass­te, in dem ich dar­auf hin­wies, dass die Infor­ma­tio­nen aus dem Tele­fon­ge­spräch nicht für die Staats­an­walt­schaft bestimmt waren und aus mei­ner Sicht auch eine mas­si­ve Inter­es­sen­kol­li­si­on besteht. Der Sach­ver­stän­di­ge ließ sich davon wenig beein­dru­cken und ver­wen­de­te für sein Gut­ach­ten im Ermitt­lungs­ver­fah­ren nicht nur sämt­li­che Infor­ma­tio­nen, die ihm zuvor aus den Akten des Betreu­ungs­ge­richts bekannt gewor­den waren, son­dern klär­te die Staats­an­walt­schaft auch über sämt­li­che Inhal­te unse­res Tele­fon­ge­sprächs mit der Fol­ge auf, dass die Staats­an­walt­schaft mich nun über die Poli­zei als Zeu­gen ver­neh­men las­sen will.

Ich habe für mei­nen Betreu­ten bei der Staats­an­walt­schaft inzwi­schen Straf­an­trag gestellt und auch eine berufs­recht­li­che Beschwer­de an die zustän­di­ge Ärz­te­kam­mer gerich­tet.

Gut­ach­ter und die “ärzt­li­che Schwei­ge­pflicht”

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